Europäisches Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben – eine ökologische und ökonomische Analyse (2. Teil)

Die Anwendung der Heizwert-Allokation bei der Treibhausgasbilanzierung (THG-Bilanzierung) von Biokraftstoffen – wie zurzeit im Entwurf der EU-Kommission zur Erneuerbaren-Energien-Richtlinie vorgeschlagen – führt für Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben zu einer systemimmanenten Unterschätzung der tatsächlichen direkten THG-Minderung. Bei der Herstellung von Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben werden als Koppelprodukte hochwertige (Eiweiß-)Futtermittel erzeugt, die andere, speziell dafür angebaute (Eiweiß-)Futtermittel ersetzen. Die Flächenfreisetzungseffekte, die sich aus der Futtermittelsubstitution ergeben – und die sich signifikant positiv auf die THG-Bilanz auswirken –, bleiben bei der Allokationsmethode darüber hinaus (methodisch bedingt) unberücksichtigt.

Flächenfreisetzungseffekte treten bei Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben grundsätzlich und völlig unabhängig von der Wahl der substituierten Futtermittel auf. Sie führen für diese Herstellpfade zu einem reduzierten Nettoflächenbedarf und unter bestimmten – jedoch realistischen – Randbedingungen sogar dazu, dass global betrachtet mehr Fläche für die Produktion von Lebens- und Futtermitteln freigesetzt werden kann, als zum Anbau der Biomasse für die Bioethanolproduktion selbst erforderlich ist.

Im Unterschied zu Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben ergeben sich für alternative Antriebskonzepte wie Elektro- oder Wasserstoffautos aufgrund der ineffizienten Elektroenergie- bzw. der energieaufwändigen Wasserstofferzeugung wesentlich schlechtere Energiebilanzen. Würde in Brennstoffzellen statt Wasserstoff alternativ Bioethanol eingesetzt, könnte die Primärenenergieeinsparung gegenüber Benzin jedoch auf bis zu 75 % erhöht werden.

Alternative Antriebskonzepte wie Elektro- oder Wasserstoffautos leisten nur dann einen nennenswerten Beitrag zum Klimaschutz zu evtl. noch vertretbaren Kosten, wenn die Energiebereitstellung über Atomenergie oder aus erneuerbaren Quellen wie z.B. Wind erfolgt. Diese theoretische Analyse lässt dabei unberücksichtigt, dass Speicherprobleme technisch noch nicht befriedigend gelöst sind und damit ein Fahrzeugbetrieb auf längeren Stecken noch nicht möglich ist. Daher bleibt als wesentlicher Vorteil der alternativen Antriebskonzepte die Diversifizierung der Energieversorgung und damit die Erhöhung der Versorgungssicherheit für den Verkehrssektor. Die Elektroenergiebereitstellung über Photovoltaik (sehr hohe THG-Vermeidungskosten) bzw. Anbaubiomasse (ineffiziente Nutzung nur begrenzt verfügbarer Fläche) sollte dabei jedoch vermieden werden.

Mit Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben kann hingegen mit deutlich geringeren Kosten eine effiziente und Ressourcen schonende Reduktion der THG-Emissionen im Verkehrssektor ohne Einschränkung der Nahrungsmittelproduktion erfolgen. Der Erzeuger behält dabei die volle Flexibilität, auf Änderungen der Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen für andere Sektoren (insbesondere der Lebensmittelherstellung) reagieren zu können.

Ohne Einschränkung der Lebens- und Futtermittelproduktion können mit Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben nach Zeddies (2006) mehr als 7 % des EU-Benzinbedarfs im Jahre 2020 abgedeckt werden; dies vollständig innerhalb und durch Optimierung bestehender Fruchtfolgen über bereits heute innerhalb der EU genutzte Ackerflächen.

Durch den Verzicht auf EU-Getreideexporte in Drittstaaten könnten mit Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben theoretisch sogar mehr als 55 % des EU-Benzinbedarfs im Jahre 2020 ersetzt werden.


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