Europäisches Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben – eine ökologische und ökonomische Analyse (3. Teil)

Durch die Nutzung von Biokraftstoffen anstelle von fossilen Kraftstoffen im Transportsektor entstehen der Gesellschaft sowohl Kosten als auch Nutzen. Bei der ökonomischen Bewertung von Biokraftstoffen müssen daher die mit der Nutzung von Biokraftstoffen einhergehenden positiven und negativen Wirkungen für das Gemeinwohl vollständig erfasst und bewertet werden.

Auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlich hoher Rohölpreise sind Biokraftstoffe in der Regel noch teurer als fossile Kraftstoffe. Der Gesellschaft entstehen also durch die Nutzung von Biokraftstoffen im Verkehrssektor additive Kosten. Andererseits sind Biokraftstoffe ein geeignetes Instrument, den Ausstoß von Treib-hausgasen im Verkehrssektor schneller und kostengünstiger als mit den anderen diskutierten Maßnahmen zu begrenzen, die Energieversorgung bei endlicher Verfügbarkeit fossiler Ressourcen zu sichern und hierdurch den ländlichen Raum weiter zu entwickeln. Im Gegensatz zu fossilen Kraftstoffpfaden, die aufgrund der verfügungsbedingt hohen Importabhängigkeit nur mit einer geringen inländischen Wertschöpfung verbunden sind, bieten Bioenergiepfade den Vorteil, dass die gesamte Wertschöpfungskette von inländischen Wirtschaftssubjekten erschlossen werden kann und somit entsprechende Beschäftigungs- und Einkommenseffekte im Inland ihre Wirkung entfalten können. Die Herstellung und Verwendung von Biokraftstoffen hat deshalb auch positive Einflüsse auf das Gemeinwohl, die den Mehrkosten gegenüber zu stellen sind.

Herstellung und Verwendung von Biokraftstoffen sind bisher sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene auf vielfältige Art und Weise von politischer Seite gefördert worden. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Förderung von Biokraftstoffen der so genannten 2. Generation gelegt. Im Wesentlichen wurde dies mit den erwarteten hohen Treibhausgaseinsparungen und der Nutzung alternativer Biomasse begründet, um die hohen Mehrkosten im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen zu rechtfertigen.

Bei der Bewertung von Biokraftstoffen der 2. Generation wurde der Herkunft der Biomasse bislang weniger Bedeutung beigemessen. Es ergeben sich jedoch große Unterschiede in der gesellschaftlichen Bewertung dieser Biokraftstoffe in Abhängigkeit der verwendeten Biomasse. Falls Reststoffe und Abfälle genutzt werden, kann das Rohstoffpotenzial erweitert werden. Im Gegensatz dazu muss im Fall des gezielten Anbaus der Rohstoffe für Biokraftstoffe der 2. Generation auf landwirtschaftlichen Flächen geprüft werden, ob diese Flächen nicht besser genutzt werden können. Beispielsweise konkurriert der Anbau dieser Biomasse mit der Erzeugung von Weizen und Zuckerrüben für die Bioethanolproduktion.

Ein Ergebnis der vorliegenden Arbeit ist, dass der Gesellschaft bei der Verwendung von Biokraftstoffen der 2. Generation wie z.B. Biomass-to-Liquid (BtL) im Vergleich zur Verwendung von Bio-ethanol aus Getreide und Zuckerrüben deutlich höhere Mehrkosten entstehen, sofern sie nicht aus Reststoffen hergestellt werden. Ausschlaggebend hierfür sind zum einen die höheren Produktionskosten von BtL sowie fehlende Kuppelprodukterlöse, da die gesamte anfallende Biomasse für die Kraftstoffproduktion genutzt wird. Demgegenüber wird bei der Bioethanolproduktion aus Getreide und Zuckerrüben nur der Anteil an Stärke bzw. Zucker für die Kraftstoffproduktion benötigt, so dass durch die Verwertung der nicht vergärbaren Stoffe in der Tierfütterung und der Energieerzeugung zusätzliche Wertschöpfung geschaffen wird.

Bei den positiven Wirkungen kommt der Einsparung von Treib-hausgasen eine zentrale Bedeutung zu. Hier haben neue Untersuchungen gezeigt, dass Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben weit mehr zur Treibhausgasminderung beiträgt als bisherige Bewertungen ergaben. Ausschlaggebend hierfür ist die Berücksichtigung direkter und indirekter Effekte (z.B. Landnutzungseffekte) aus der Kuppelprodukterzeugung, welche bisher nicht umfassend in die Analyse eingebunden wurden. Hierdurch ergeben sich systemimmanente Vorteile für Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben nicht nur im Vergleich zu aus Zuckerrohr hergestelltem Bioethanol, sondern auch gegenüber Biokraftstoffen der 2. Generation wie z.B. BtL auf Basis von Holz aus Kurzumtriebsplantagen.

Grundsätzlich verbessern Biokraftstoffe wie Bioethanol und BtL die Versorgungssicherheit, wenn diese Kraftstoffe und die benötig-ten Rohstoffe im Inland produziert werden und Importe ersetzen. Dieser Aspekt gewinnt insbesondere in Krisen mit Lieferengpässen an Bedeutung. Auch im Bereich der Versorgungssicherheit weist Bioethanol aus Getreide und Zuckerrüben jedoch Vorteile gegenüber BtL auf. So haben Studien ergeben, dass der Einsatz von Bio-ethanol in Form von „low blends“ (z.B. Mischungen von Ottokraftstoff und Bioethanol im Verhältnis 90:10 = E10) zu einer höheren Motoreffizienz führt. Dadurch wird der geringere Heizwert von Bioethanol gegenüber Ottokraftstoff in erheblichem Maße ausgeglichen, sodass mit der substituierten Menge an fossiler Energie eine größere Reichweite erzielt werden kann als eine heizwertorientierte Betrachtung vermuten lässt. Ähnliche positive Wirkungen von BtL sind derzeit nicht bekannt.

Die Ergebnisse der Kosten-Nutzen-Analyse zeigen, dass mit Bio-ethanol aus europäischer Produktion im Vergleich zu BtL aus Anbaubiomasse mit deutlich geringeren Kosten eine effiziente und Ressourcen schonende Reduktion der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor erreicht wird. Vor diesem Hintergrund ist eine Bevorzugung von Biokraftstoffen der 2. Generation wie BtL bei der Förderung von Biokraftstoffen nicht zu rechtfertigen, wenn die Biomasse auf landwirtschaftlichen Nutzflächen angebaut werden muss.

Part 1: Sugar Industry 133, 625-635, Part 2: Sugar Industry 133, 710-718


Download PDF
Language: German

Copyright © Verlag Dr. Albert Bartens KG

Rights and permissions